Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Dies und Das

Vererbungslehre

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Jule Springwald erzählt

Als meine Tochter drei Jahre alt war, hatte ich einen der damals schon raren Kita-Plätze für sie ergattert. Ich hatte gerade wieder angefangen zu arbeiten nach der Geburt meines zweiten Kindes und dem halbjährigen Mutterschaftsurlaub und war wirklich froh, den Arbeits- und den Kitaplatz so schnell bekommen zu haben. Mein Baby betreute damals meine Mutter.

Nun, an dem ersten Kitatag für meine Tochter, nahm ich mir frei. Ich wollte die Kleine auf keinen Fall überfordern, indem ich sie dort nur ablieferte und alleine (in meiner Vorstellung tränenüberströmt) zurückließ. Stolz lief sie an meiner Hand Richtung Kitaeingang. An der Tür wurden wir freundlich in Empfang genommen und durch die Räumlichkeiten geführt. Dann wurde meiner kleinen Maus ihr Platz an der Garderobe gezeigt, wo sie ihre Jacke und Schuhe auszog und ihre schwarzen Ballettschläppchen überstreifte. Wie klein sie mir in den hohen Räumen vorkam. Mir wurde ganz anders zumute, und ich machte mir ernsthaft Sorgen, ob ich sie dort wirklich allein lassen könnte. Gewiss, die Menschen dort waren lieb und nett, aber sie war doch noch so winzig …

Während ich noch überlegte, wie ich ihr am besten erklären könnte, dass ich sie bald abholen würde und sie keine Angst zu haben bräuchte, ging sie zur Tür des Gruppenraums, drehte sich noch mal kurz auf der Schwelle um und sagte ganz cool: »Mama, geh Arbeit!«

Vor ein paar Tagen ging meine dreijährige Enkeltochter mit Eltern, Brüderchen und Hund nachmittags spazieren. Als sie in unserer Straße ankamen, äußerte sie ganz spontan den Wunsch, bei mir spielen zu dürfen. Das macht sie des Öfteren, und bisher hatte entweder meine Tochter oder mein Schwiegersohn sie bis an meine Haustür begleitet. An diesem Tag wollte sie aber unbedingt allein klingeln. Meine Tochter sagte ihr, sie solle aber um viertel nach sechs zu Hause sein.

Es klingelte also an der Tür, und als ich öffnete, stand der Dreikäsehoch vor mir und sagte: »Oma, hast du Zeit mit mir zu spielen? Aber ich muss um viertel nach sechs zu Hause gehen. Das ist nur eine halbe Stunde. Hast du Zeit?« Wer kann da widerstehen?
Sie setzte sich also auf die Treppe und zog Stiefel und Jacke aus. Da klingelte das Telefon. Meine Tochter war dran und fragte, ob das so in Ordnung sei. Dann platzte es aus ihr heraus: »Stell dir vor, wir wollten doch sehen, ob sie das alleine schafft, und sind unten an der Stufe zum Bürgersteig stehen geblieben, um ihr nach zu schauen. Nach ein paar Schritten hat sie sich umgedreht und gesagt: ›Ihr könnt jetzt gehen!‹ Dann ist sie weitergegangen und hat sich noch mal umgedreht und etwas lauter gerufen: ›Ihr könnt jetzt zu Hause gehen!‹ Das war schon ganz lustig.«

Ich dachte mir nur so: Der Apfel fällt wohl nicht weit vom Stamm. Wie Mutter, so Tochter! Und Omaaaa! Denn just in diesem Moment, da ich die Anekdoten zu Papier bringe, fällt mir ein, dass mir meine Mama irgendwann erzählte, dass ich im zarten Alter von drei (!) Jahren mal alleine auf Welterkundungstour gehen wollte. Als meine Mutter dann rief, ich solle auf sie warten, soll ich mich umgedreht und gerufen haben: »Und ich renn doch weiter!« Unglaublich, oder? Tja, Gene sind halt genial, machen das Kind zum General!

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