Spielkamerad auf vier Pfoten
Wie eine Königspudeldame OGS-Kindern Rücksicht und Achtsamkeit beibringt
Hilde ist gerade einmal sechzehn Monate alt, aber sie darf schon zur Schule gehen: Im offenen Ganztag der Leoschule zaubert der freundliche Königspudel Kindern aus belasteten Familien ein Strahlen ins Gesicht – und bringt ihnen gleichzeitig Rücksicht und Verantwortung bei. »Wenn ich mit Hilde ins Zimmer komme, interessiert sich keiner für mich«, verrät Frauchen Christine Altrock mit einem Schmunzeln. »Dann haben alle nur noch Augen für meinen Hund.«
Am 1. Mai 2019 übernahm die Erzieherin eine Koordinatorenstelle des von der Caritas betriebenen OGS-Standorts. Kurz darauf absolvierte Hilde – damals noch im Welpenalter – ihre Ausbildung zum Schulbegleithund. Inzwischen gehört die schwarze Pudeldame bei den ›Leos‹ zum Inventar: An drei bis vier Nachmittagen pro Woche arbeitet sie in einer festen Gruppe und steht den Grundschülern als Spielkamerad zur Verfügung. Sie liebt es, gestreichelt zu werden, apportiert mit Begeisterung Bällchen und beherrscht schon einige Tricks.
»Nach Absprache dürfen die Kinder mit Hilde abwechselnd Kommandos üben, zum Beispiel Sitz, Platz, Bleib, Rolle, Männchen und Pfote geben«, erzählt Christine Altrock. Bei schönem Wetter geht es zum Spaziergang oder freien Spielen auf den Schulhof oder in den Schulgarten. Am späteren Nachmittag werden die OGS-Gruppen geöffnet, damit auch Kinder aus anderen Gruppen dazukommen und den flauschigen Vierbeiner erleben können. »Das klappt super, weil alle sehr achtsam und rücksichtsvoll mit Hilde umgehen«, so die Erzieherin. Caritas-Bereichsleiterin Margret Banken-Konrad berichtet ähnliches: »Die Schüler akzeptieren es sofort, wenn der Hund Ruhe braucht und sich an seinen Platz unter den Tisch zurückzieht. Fast alle haben mittlerweile ihren Hundeführerschein gemacht. Das ist wirklich faszinierend zu beobachten.«
»Eigentlich fürchte ich mich vor
Hunden, aber vor Hilde nicht …
Die kenne ich ja jetzt!«
Und das Rücksichtsprinzip funktioniert auch umgekehrt: Durch ihr zurückhaltendes, ruhiges Wesen bringt Hilde sogar ängstliche Kinder dazu, sich zu öffnen und ihre Scheu abzulegen. Oft legt sie sich einfach nur daneben. Manchmal stuppst sie die Kids an und fordert so zum gemeinsamen Spielen auf. Wenn sie aber spürt, dass jemand Angst hat oder Zeit braucht, nimmt sie sich sofort zurück und sucht sich eine andere Beschäftigung. »Am Anfang gab es Schüler, die großen Respekt hatten«, erinnert sich Christine Altrock. »Das hat sich bis heute geändert. Ein Junge meiner Gruppe sagte mir: ›Eigentlich fürchte ich mich vor Hunden, aber vor Hilde nicht … Die kenne ich ja jetzt!‹«
Margret Banken-Konrad weiß aus ihrer eigenen Familie, wie wertvoll es für Kinder ist, mit Tieren groß zu werden. »Dass wir das im Rahmen der OGS nun auch Schülern ermöglichen können, die von Haus aus nicht die Chance haben, ist ein unglaublicher Gewinn! Das war immer meine Vision, und jetzt ist sie umgesetzt. Einfach fantastisch!«
Und auch in schweren Zeiten steht Hilde den OGS-Kids an der Leoschule zur Seite: Gemeinsam mit ihrem Frauchen und deren Kollegen hat sie während Corona die sogenannte ›Notgruppe‹ betreut. Die übrigen Kinder, die in dieser Phase wegen des Lockdowns zu Hause bleiben mussten, freuten sich nach den Sommerferien umso mehr über das Wiedersehen mit ihrem Lieblingsvierbeiner. Und alle können es kaum erwarten, dass ein lange geplantes Highlight bald nachgeholt wird: Schon in den letzten Osterferien sollte Hilde eigentlich Besuch von ihren Freunden aus der Hundeschule bekommen. Die Aktion musste pandemiebedingt aufgeschoben werden, ist aber nicht aufgehoben!
Durch die Krise mit Briefen, Bonbons und Blätterhänden
Von den insgesamt 389 Kindern, die an OGS-Standorten der Caritas in Lünen angemeldet sind, besuchten in der Krise nur rund 30 die Notbetreuung, die für Eltern in systemrelevanten Berufen angeboten wurde. Um all jenen, die daheim bleiben mussten, die Wartezeit zu verkürzen, ließen sich die Betreuer kleine Aufmerksamkeiten einfallen. So wurde jedem Kind eine persönliche Botschaft in Form eines Briefes mit Polaroid-Bildern oder einer E-Mail mit angehängtem Video übersandt. Dazu gab es Aufgaben und Rätselfragen für zu Hause. »Beispielsweise haben wir unsere Kids dazu aufgefordert, Hände zu malen, welche dann später von uns zu einer großen Collage, einem Baum mit ›Blätterhänden‹, zusammengefügt wurden«, erzählt Christine Altrock, eine der OGS-Koordinatorinnen der Leoschule. »Selbstverständlich wurden bei der Aktion die geltenden Abstandsregeln eingehalten. Dafür haben wir eine Kiste mit Süßigkeiten auf dem Schulhof deponiert. Jeder konnte sein selbst gemaltes Bild reinlegen und sich zur Belohnung einen Lutscher rausnehmen. Wir Mitarbeiter haben das vom Gebäude aus der Ferne beobachtet. Es war einfach zu herrlich, wie die Kleinen mit Mundschutz über den Hof getappert kamen. Einige hatten sogar ihre kleinen Geschwister dabei. Es gab viele Briefe zurück, in denen die Kinder schrieben, wie sehr sie uns vermissen. Und echt, wir haben sie auch vermisst! Wo Schule draufsteht, müssen Kinder drin sein!«