Stadtmagazin Lünen: Gesundheit und Wellness

10 Jahre Lüner Ladybugs

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»Die Krankheit sitzt mit im Boot – aber nur ganz klein in der Ecke«

Neunzehn Frauen in knallpinken T-Shirts scharen sich um ihr neues Drachenboot am Datteln-Hamm-Kanal und recken fröhlich ihre Sektgläser in die Höhe: Auf den ersten Blick sehen die Ladybugs nicht wie (ehemalige) Brustkrebspatientinnen aus. Keine von ihnen wirkt unglücklich oder wie von einer schweren Erkrankung gezeichnet. Ganz im Gegenteil, diese Damen strahlen pure Lebensfreude aus …

Gegründet als Teil der ›Pink Paddling‹-Bewegung

»Mit Gleichgesinnten auf dem Wasser an der frischen Luft zu sein, das ist einfach toll«, schwärmen Heike Auel und Anke Liske-Bornscheuer. Zum zehnjährigen Jubiläum der Lüner Ladybugs (englisch für ›Marienkäfer‹) haben die beiden Teamkolleginnen ihre Erfahrungen zu Papier gebracht. Das mit Bildern und O-Tönen ausgeschmückte Buch ›Are you ready? Attention! Go!‹ erzählt die Geschichte der Sportgruppe, die im April 2011 als Teil der weltweiten ›Pink Paddling‹-Bewegung in Kooperation mit dem Brustzentrum des St. Marien-Hospitals gegründet wurde und heute beim KSC Lünen trainiert. Seit dem Frühjahr 2021 ist das Werk beim Ventura Verlag Werne und im Buchhandel erhältlich.

Moderater Sport stärkt Körper und Seele

»Es gab eine Zeit, da hieß es, dass Brustkrebspatientinnen ihren Oberkörper am besten gar nicht bewegen sollen«, berichten Heike und Anke. »Inzwischen sieht man das zum Glück anders. Die moderate Bewegung beim Paddeln stärkt die Brust- und Rückenmuskulatur und fördert den Lymphfluss. Durch den Wechsel aus Anspannung und Entspannung verlässt man automatisch seine Schonhaltung, ohne groß drüber nachzudenken. Mindestens genauso wichtig wie die körperliche Fitness ist der positive Effekt für die Psyche. Wir reden hier beim Training ja keineswegs nur darüber, wie schrecklich das Leben ist, weil man Krebs hatte. Vielmehr stehen der Spaß am Sport und die gute Gemeinschaft im Vordergrund. Die Krankheit sitzt mit im Boot – aber nur ganz klein in der Ecke.«

»Das ist meine Anke, wie sie vor der Erkrankung war«

Beide haben ihre erste Begegnung mit den ›Pinkies‹ noch gut im Gedächtnis. »Ich war aus anderen Gründen in Lünen im Krankenhaus und teilte mir das Zimmer mit einer Patientin, die nach einer Brust-OP auf ihre Chemo wartete«, erzählt Heike. »Wir hatten zwei Tage, um uns zu unterhalten – und wurden beste Freundinnen. Als dann ein dreiviertel Jahr später bei mir selbst Brustkrebs diagnostiziert wurde, hat sie mich gleich mit zum Training geschleppt.« Anke erfuhr nach ihrer Behandlung im Gesundheitshaus am Roggenmarkt von den Ladybugs. »An meinen ersten Besuch am Bootshaus erinnere ich mich, als wenn es gestern gewesen wäre: Ich wurde von einer ganzen Traube Frauen herzlich empfangen. Zufällig fand an diesem Tag auch eine Spendenübergabe statt. Danach ging es ab ins Drachenboot. Und anschließend durfte ich noch mit zur Teamsitzung. Ich hatte mich um 17.30 Uhr von meinem Mann verabschiedet mit den Worten: ›Ich geh mal zum Paddeln.‹ Als ich gegen 22.30 Uhr nach Hause kam, fragte er mich, ob wir bis zur Ostsee gepaddelt seien. Ich hörte gar nicht mehr auf zu erzählen, sodass er später meinte: ›Das ist meine Anke, wie sie vor der Erkrankung war.‹«

»Der Fluss Arno verwandelte sich in ein Blütenmeer«

Bis zur Buchidee sollte allerdings noch einiges Wasser die Lippe hinabfließen. Eine wichtige Rolle im Vorfeld spielte die internationale Regatta der IBCPC (International Breast Cancer Paddlers Commission) in Florenz. Dieses Sportevent mit Teilnehmerinnen aus aller Welt wird alle vier Jahre in unterschiedlichen Ländern veranstaltet. 2018 mittendrin: die Lüner Ladybugs. »Wir hatten uns total spontan und unbedarft angemeldet, und es war einfach nur atemberaubend«, berichtet Heike. »4.000 Frauen in Pink, die auf dem Arno im Takt der Trommeln das Stechpaddel schwangen. Da ging es nicht um Konkurrenz oder Sieg, da wurde das Leben gefeiert. Im Ziel liefen manchen von uns Tränen über die Wangen.« Im Anschluss an die Rennen wurde auf dem Wasser noch eine sogenannte Blumenzeremonie abgehalten. Hier wird traditionell jener Freundinnen gedacht, die nicht mehr dabei sein können, weil sie den Kampf gegen ihren Krebs verloren haben – und die, wissen Heike und Anke, gibt es in jeder Gruppe. »Alle Anwesenden hielten rosa Gerbera in den Händen. Nach einer Schweigeminute verwandelte sich der Fluss Arno in ein Blütenmeer. Diese Stimmung kann man fast nicht beschreiben. Das hat wirklich alles getoppt, was wir je erlebt haben.«

Alle in einem Boot

Umso tiefer war das Loch, das sich für Anke nach ihrer Rückkehr in den Alltag auftat. »Zunächst schwebte ich wie auf einer Welle, doch als dann kurz darauf meine Mutter starb, begann für mich ein Wechselbad der Gefühle. Um mich aufzuheitern, brachte mein Mann mir etwas zu lesen mit: ›Vier Freundinnen, ein Boot‹ handelt von vier Frauen, die den Atlantik überqueren. Diese Geschichte hat mich total geflasht und mich nachdenklich gestimmt. Denn eigentlich hatten wir in Florenz doch etwas Ähnliches erlebt. Auch wir sitzen in einem Boot – sogar in doppelter Hinsicht.« »Für unsere älteren, zum Teil über 70-jährigen Teamkolleginnen war die Teilnahme an der internationalen Regatta eine mindestens ebenso große sportliche Leistung wie eine Atlantiküberquerung«, erklärt Heike. »Zudem kämpfen auch wir einen Überlebenskampf.«

Von einem »Häufchen Versehrter« bis zur Riesenregatta in Florenz

Der Abenteuerroman machte schnell die Runde, und aus der ersten fixen Idee wurde bald ein konkreter Plan: die eigene Geschichte aufzuschreiben. Zieltermin: das 10-jährige Jubiläum in 2021. Hier nahm Heike als erfahrene Autorin das Heft in die Hand. Ideengeberin Anke unterstützte mit Recherchearbeiten sowie zwei eigenen Kapiteln. Die übrigen Ladybugs steuerten O-Töne bei. »Das Buch zeigt die gesamte Entwicklung von einem kleinen Häufchen ›Versehrter‹ bis hin zu dem Riesenevent in Florenz, das uns so nachhaltig beeinflusst hat«, sagt Heike. Ergänzt wird es durch einen Beitrag von Dr. Donat Romann (Leiter des Brustzentrums am Marienhospital) und ein Interview mit Friedhelm Deuter (Vorsitzender des KSC). Ob die offizielle Buchvorstellung mit Jubiläumsfeier im August stattfinden kann, steht aktuell noch in den Sternen. Das gleiche gilt für die geplanten Regatten wie den ›Day of Dragons‹ in Datteln oder den ›pinken Cup‹. »Frauen, die bei uns mitmachen wollen, können sich aber trotzdem jederzeit melden. Einfach eine Mail schreiben oder anrufen. Dann können wir uns wenigstens schon mal austauschen und die Betreffende in unsere WhatsApp-Gruppe aufnehmen.«

›Are you ready? Attention! Go!‹

Eine Brustkrebserkrankung wirft das ganze Leben um. Plötzlich drehen sich die Gespräche meist nur um die Krankheit, Therapien, Ängste und Sorgen um die unsichere Zukunft. Aber was kommt, wenn man die Krankheit besiegt hat? Was gibt es für Therapien, um wieder ins Leben zurückzufinden? Deutschlandweit hat sich seit 2009 das ›Pink Paddling‹, der Sport im pinken Drachenboot, als positive Therapie bewährt und verbreitet. Die sportliche Betätigung in der Gruppe verbessert nachweislich die körperliche und emotionale Situation der Patientinnen nach einer Brustkrebstherapie. Seit 2011 schon treffen sich die Ladybugs (›Marienkäfer‹), Brustkrebspatientinnen u. a. des Lüner St.-Marien-Hospitals. Dies sind ihre Geschichten. Heike Auel hat in diesem Buch bewegte und bewegende Erlebnisse der Ladybugs aus den letzten zehn Jahren festgehalten, die gemeinsamen Unternehmungen auf dem Wasser wie an Land, die Abenteuer im Drachenboot und den wunderbaren Zusammenhalt von Frauen, die ein gemeinsames Schicksal teilen. Mit sehr persönlichen Erfahrungsberichten der Ladybugs und offenen Worten über Ängste, aber auch Chancen, die der Drachenbootsport bietet, zeigt dieses Buch, was für ein heilsamer Prozess das gemeinsame Paddeln und Trainieren sein kann. Vielleicht kann dieses Buch Betroffenen und Angehörigen Mut machen. Vielleicht zündet es auch den Funken, damit Sie selber bald mutig ins Drachenboot einsteigen und in den Ruf der Ladybug einstimmen: »Are you ready? Attention! Go!«

Heike Auel
›Are you ready? Attention! Go!‹
Die Ladybugs – im Drachenboot gegen den Brustkrebs
Ventura Verlag · 12,00 Euro

www.pink-ladybugs.de

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