Das Auge II
Tor zur Seele
In einschlägigen Lifestyle-Foren stößt man auf allerhand gesundes Halbwissen über die Verbindung von Charakter und Augenfarbe. Hier gelten grüne Katzenaugen oft als mysteriös und verführerisch. Menschen mit dunkelbraunen Augen wird besondere Durchsetzungskraft nachgesagt. Und Blau-äugige stehen in dem Ruf, schüchtern und sensibel zu sein.
Vor rund zehntausend Jahren waren alle Menschen braunäugig. Die anderen Augenfarben entstanden laut Forschern durch eine Genmutation im Laufe der Zeit. Weltweit haben nur zwei Prozent aller Menschen grüne Augen. Noch seltener ist die Kombination von zwei verschiedenen Augenfarben.
Weite Pupillen: verliebt oder verzagt?
Ob die Einordnung in derartige Kategorien wissenschaftlich belegbar ist, darf bezweifelt werden. Dennoch kann uns ein aufmerksamer Blick in die Augen unseres Gegenübers durchaus einiges über dessen Stimmung und Seelenlage verraten. Beispielsweise erkennen wir an ihnen, ob ein Lächeln echt oder aufgesetzt ist. Genauso können sie Melancholie, Humor, Zorn, Erschöpfung und sogar sexuelle Begierde widerspiegeln: Studien zufolge weiten sich die Pupillen beim Betrachten einer geliebten oder als attraktiv empfundenen Person. Doch Vorsicht mit voreiligen Schlüssen: Der gleiche Effekt kann auch bei Unsicherheit oder Angst eintreten.
Große, dunkle Augen galten schon im Barock als Schönheitsmerkmal. Damals träufelten sich die Damen den Extrakt der Tollkirsche ins Auge, um ihre Pupillen zu erweitern und dem Ideal der ›bella donna‹ (schöne Frau) näherzukommen.
Millionen Farben und ihre Wirkung
Es ist aber nicht nur so, dass das Auge unser Innerstes nach außen trägt, sondern auch andersherum: Was wir sehen, beeinflusst unser Wohlbefinden. Normalsichtige Menschen differenzieren rund 150 Farbtöne, welche sich in 100.000 bis zu einer Million unterscheidbare Nuancen aufteilen. Sie alle können sich auf unsere Gefühlswelt auswirken, was etwa bei der Farbtherapie zur Anwendung kommt: Hier werden Tönungen verschiedenen Jahreszeiten, Elementen und Stimmungen zugeordnet. Blau steht demnach für Entspannung, Gelb wirkt belebend, Rot schürt die Leidenschaft, und Grün fördert die Harmonie. Natürlich lassen sich solche Wirkungsweisen nur schwer verallgemeinern, da immer auch unsere persönlichen Erfahrungen und kulturellen Prägungen mit einfließen. Beispiel: Während die Menschen der westlichen Welt bei Beerdigungen traditionell Schwarz tragen, trauert man in China in Weiß. Und auch im Tierreich spielen Farben eine Rolle: Je bunter das Gefieder, desto besser die Chancen bei der Partnersuche.
Kraken nutzen Farbveränderungen zur Kommunikation. Knallige Muster dienen bei ihnen als Drohgebärde. Zudem sind die Tintenfische in der Lage, die Oberflächenstruktur ihrer Umgebung zu imitieren, was den Tarneffekt verstärkt.
Bunte Träume
Aufgrund eines genetischen Defekts sind rund fünf Prozent der Bevölkerung ›farbenblind‹, darunter deutlich mehr Männer als Frauen. Wobei der Begriff ›Farbblindheit‹ irreführend ist: Meist handelt es sich um eine einfache Rotgrünschwäche. Mit abnehmender Helligkeit erkennen auch normalsichtige Menschen nur noch Schemen und Umrisse. Farben können dann nicht mehr auseinandergehalten werden. Oder, wie es so schön heißt: Nachts sind alle Katzen grau. ›Farbfernsehen‹ gibt es erst wieder, wenn wir die Augen schließen und in Morpheus’ Arme sinken: Da wir im Traum Erlebtes verarbeiten, ist es durchaus möglich, bunt zu träumen! Daher können auch manche Blinde in ihren Träumen wieder Formen und Farben sehen – vorausgesetzt, dass sie früher einmal sehen konnten und sich nachts daran erinnern.
Kann man Farben hören? Ja! Es ist aber eine sehr seltene Begabung, über die nur einer von tausend Menschen verfügt. Bei den Betreffenden werden verschiedene Sinnesempfindungen im Gehirn miteinander verknüpft, sodass z. B. Farben, Klänge oder Töne Geschmackseindrücke erzeugen. Experten sprechen von Synästhesie.
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