Gotik
Architektonische Zeitreise durchs Ruhrgebiet
Gotik und Kirchen, da fällt den meisten natürlich der Kölner Dom ein, einer der markantesten und bekanntesten Sakralbauten Deutschlands und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Er ist eine der größten Kirchen im gotischen Baustil. Wobei zu bemerken ist, dass man zwar im 13. Jahrhundert (Gotik) zu bauen begonnen hatte, das Werk aber erst im 19. Jahrhundert und damit in der Zeit der Neugotik vollendet wurde. Dennoch strahlt der Dom in harmonisierender Weise alle Bau- und Schmuckelemente der spätmittelalterlich-gotischen Architektur aus. Er weist die typischen Merkmale der gotischen Formsprache auf: die Rippengewölbe und die damit einhergehende Verwendung von Spitzbögen, ein Zentralelement der gotischen Baukunst. Durch ein Konstruktionssystem aus Pfeilern und Strebewerk ergeben sich die Betonung der Vertikalen sowie die Auflösung der Wandflächen. Die Architektur wird transparent und durch die großen Fensterflächen durchlässig für das Tageslicht. Die farbigen Glasfenster ersetzen die bunt bemalten Wände der romanischen Kirchen. Unbestritten ist der Kölner Dom mit ca. acht Millionen Besuchern pro Jahr die am meisten besuchte Sehenswürdigkeit Deutschlands.
Die rege Bautätigkeit in der mittelalterlichen Epoche hat aber auch in der Region des Ruhrgebiets viele Spuren hinterlassen, eindrucksvolle Kirchen und Klosterbauten. Man findet sie entlang des Hellwegs (eigentlich Westfälischer Hellweg), eine mittelalterliche Königs- und Heerstraße zwischen Rhein und Elbe, die quer durch das Ruhrgebiet führt und unter anderem Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund verbindet. In den Städten, die am Hellweg liegen, blühte nicht nur der Handel, sondern auch die Kultur. Man war offen für Neues. So auch für die in Frankreich entwickelte neue Bautechnik der Gotik. Es entstanden in all diesen Orten im 12. und 13. Jahrhundert eindrucksvolle Kirchen in diesem neuen Stil. In Dortmund unter anderem die Marien-, die Petri-, die Propstei- und die Reinoldikirche. Alle sind sie kunsthistorisch interessant und wären es wert, hier beschrieben zu werden. Es soll bei Reinoldi bleiben, der ältesten noch erhaltene Kirche im Stadtgebiet (Abb.1). Sie ist städtebaulich der Mittelpunkt und somit auch ein Wahrzeichen von Dortmund. Die dreischiffige romanische Basilika findet ihre architektonische Krönung in dem spätgotischen Chor mit zahlreichen Kunstschätzen zur Ausschmückung sowie in einer hölzernen Skulptur des Reinoldus und im Chorgestühl. Besondere Beachtung verdienen eine Marienstatue mit Kind sowie der Hochaltar mit Szenen aus dem Leben Jesu und Marias (Abb.2).
Weiter nach Westen auf dem Hellweg in Bochum Wattenscheid liegt ein architektonisches Kleinod, die Bartholomäus-Kapelle. Da der Hellweg nicht nur Handelsweg war, sondern auch eine große Bedeutung für die Wallfahrt nach Santiago de Campostela (Jakobsweg) hatte, entstand hier neben einer Pilgerherberge auch diese einschiffige Kapelle (Abb.3), die insbesondere in der Innenarchitektur durch ihr Kreuzrippengewölbe gotische Merkmale aufweist.
In Essen sei auf die Münsterkirche, seit 1958 Bischofskirche des Ruhrbistums, hingewiesen. Nach einigen Vorgängerbauten entstand nach einem Brand um 1275 ein neuer Bau, dessen architektonischer Gesamtcharakter trotz erneuter Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau bis heute erhalten blieb (Abb.4). Während das Westwerk mit seinem oktogonalen Bau an den Kaiserdom in Aachen erinnert, weitet sich der Kirchenraum nach Osten (also in Richtung Chor und Altar) als hochgotische Hallenkirche aus. Mit romanischen wie gotischen Elementen in Kombination mit den modernen Glasfenstern nach Entwürfen von Wilhelm Buschulte (er hat übrigens auch die Fenster in der Wittener Marienkirche entworfen) ist der Dom ein eindrucksvoller Schauplatz mittelalterlicher kirchlicher Baukunst. Kostbarstes Kunstwerk der Innenausstattung ist die Goldene Madonna, die wohl älteste vollplastische Darstellung der Mutter Gottes im Abendland und das bedeutendste Kunstwerk des Ruhrgebiets( Abb.5). Im Norden des Doms befindet sich ein kleiner stimmungsvoller Kreuzgang, der zur Besinnung einlädt (Abb.6).
Eine der bedeutendsten spätgotischen Kirchen am rechten Niederrhein ist die Salvatorkirche in Duisburg (Abb.7). Schon von weitem fällt die besondere Architektur des Turmes auf. Im Laufe der Baugeschichte wurde dieser mehrere Male erneuert und verändert, bis er schließlich bei der letzten großen Restaurierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen jetzigen achteckigen neugotischen Turmhelm erhielt. Am Maßwerk der Fenster an der nördlichen Seite des Langhauses lässt sich sehr schön die Entwicklung von der Hoch- zur Spätgotik mit den typischen Fischblasenmustern erkennen. Der Innenraum wirkt wie bei allen gotischen Domen und Kirchen erhaben. Man fühlt sich beim Betreten aus dem Getriebe des Alltags herausgehoben und in einer höheren Wirklichkeit zur Ruhe gebracht. Dieser Eindruck wird durch die moderne Fenstergestaltung, die das Miteinander und Nebeneinander von Judentum und Christentum thematisiert, noch verstärkt.
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