Kunst und Kohle
Ausstellung im Märkischen Museum Witten
In der letzten Ausgabe des Stadtmagazins hatten wir schon auf die Ausstellung hingewiesen, möchten aber an dieser Stelle noch einmal näher darauf eingehen.
Eine Ära geht im Ruhrgebiet zu Ende und damit eine lange Industriegeschichte, geprägt durch Kohle und Stahl. Die Kohle, das ›schwarze Gold‹ hat nicht nur ›Kohle‹ im übertragenen Sinne ins Ruhrgebiet gebracht, sondern über die Zeit auch Menschen und Landschaft der Region geprägt. Industriebauten dominierten die Architektur der Städte, und durch den Abraum aus den Bergwerken entstanden künstliche Berge, die Halden. Kaum eine Landschaft in Deutschland wurde so durch Menschenhand in eine neue Kulturlandschaft umgewandelt. In diesem Jahr werden die beiden letzten Zechen, in denen Steinkohle gefördert wurde, geschlossen. Schon vor Jahren, als sich der Kohleausstieg und der sich damit verbundene Wandel abzeichneten, stellten sich Politik und Wirtschaft die Frage, wie es weitergehen solle nach diesem bedeutsamen Einschnitt. Wie und wodurch gelingt ein Strukturwandel? Und bei der Frage, was denn bleibt, wenn die letzte Zeche geschlossen wird, sind auch Kunst und Kultur gefordert, Antworten zu geben und zu reagieren. Und das taten jetzt die RuhrKunstMuseen, ein Netzwerk von 20 Kunstmuseen der Kulturmetropole Ruhr, das sich anlässlich der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 zusammengeschlossen hat. Die RuhrKunstMuseen stehen für eine einzigartige Museumslandschaft mit nationaler und internationaler Ausstrahlung. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Kunst des 19. Jahrhunderts über die Moderne bis zur Gegenwart.
17 Museen nehmen das Ende der Steinkohleförderung nun zum Anlass für ein städteübergreifendes Ausstellungsprojekt ›Kunst & Kohle‹. Dabei setzten sich auf unterschiedlichste Art und Weise Künstler und Kuratoren der Museen mit dem Thema ›Kohle‹ auseinander. Die Präsentationen umfassen das ganze Spektrum künstlerischer Aussagemöglichkeiten von Malerei, Zeichnung, Fotografie über Skulpturen und Installationen bis hin zu Video- und Klangkunst. Begleitet wird das Projekt von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit musikalischen Beiträgen sowie Theater und Performance.
Mit dabei ist auch das Märkische Museum Witten. Daher soll hier besonders auf die Präsentation in den sechs Wechselaustellungsräumen eingegangen werden. Nicht zuletzt, um Sie, liebe Leser/innen, neugierig zu machen und zu ermuntern, das Museum und diese interessante Ausstellung zu besuchen. Der Kurator und Museumsleiter Christoph Kohl hat drei Künstler eingeladen, sich unter dem Titel ›Vom Auf- und Abstieg‹ mit der Thematik auseinanderzusetzen. Schon die Dialektik des Titels macht neugierig. Beinhaltet er doch das tägliche Einfahren und die hoffentlich gesunde Rückkehr des Bergmanns zur und von der Arbeitsstelle unter Tage. Im übertragenen Sinne weist er dann auf den Verlauf der Geschichte des Ruhrgebiets hin, auf den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg im 19. Jahrhundert und den damit verbundenen Wohlstand, aber auch auf den jähen Abstieg bis in die Armut nach dem Verlust der Arbeit. Beide Positionen werden von den Künstlern aufgegriffen und bearbeitet.
Der in Köln geborene Bildhauer und Installationskünstler Clemens Botho Goldbach beschäftigt sich unter anderem mit Witten als Ursprungsort des Kohleabbaus. Bekannt ist er für seine Architektur-Skulpturen, die an Baustellen oder Ruinen erinnern. Er arbeitet in direkter Auseinandersetzung mit räumlichen und gegenwartsbezogenen Begebenheiten vor Ort. Hier in Witten präsentiert er eine raumgreifende architektonische Skulptur ›Ausbau‹ und greift damit die Situation unter Tage auf. Fast sakral wirkt dieser Stollengang, der an mittelalterlichen Kirchenbau erinnert. Und tatsächlich hat der Künstler für die Skulptur neben Bauholz aus der Grube auch Materialien aus einer alten Kirche verwendet. Aber nicht im Sinne einer Glorifizierung, sondern eher mit dem fast ehrfurchtsvollen Hinweis auf die schwere und auch gefährliche Arbeit unter Tage (Abb. 1).
Eher sozialkritische Themen greift der Objektkünstler Olaf Menzel auf. Er setzt sich kritisch und provokant mit den Klischees und der tatsächlich zeitgenössischen Kultur der Ruhr-Region auseinander. Seine Installation ›Plattenbau‹ ist einerseits ein Hinweis darauf, dass Kohleabbau auch immer eng mit der Stahlproduktion verbunden war, andererseits erinnert er an die Wohnblockbauten der 50er-Jahre, die verlassen und der Abrissbirne freigegeben wurden (Abb. 2a und 2b). Mit einem weiteren Objekt – ›Tafelrunde‹ –, bestehend aus Stehtischen und überdimensionalen Einkaufstüten sowie Zeitungen aus Aluminium geformt und mit Digitaldruck versehen, greift der Künstler ganz aktuell die Probleme um die ›Essener Tafel‹ auf (Abb. 3a und 3b).
Der dritte Künstler Alexander Chekmenev, ein Fotograf aus der Ukraine, hat das Leben der Menschen im Kohleabbaugebiet der Donbass-Region dokumentiert. Nach Schließung eines Großteils der Minen als Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion breitete sich durch den Wegfall der Arbeit Armut und Orientierungslosigkeit in der Bevölkerung aus. In beeindruckender Weise schildern seine Fotos das Leben der dortigen Bevölkerung und visualisieren viele Themen, wie Liebe, Altwerden und Tod, Arbeit, Not und Elend, aber auch Freude und Fröhlichkeit (Abb. 4).
Die Ausstellung ist noch bis zum 16.09.2018 zu besichtigen. Es finden regelmäßige Führungen statt.
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