Barock
Architektonische Zeitreise durchs Ruhrgebiet
Barock ist ein Kunststil, der sich in der Zeit zwischen 1600 und 1750 entwickelte und seinen Ursprung in Italien hat. Er breitete sich vor allem in den südlichen katholischen Ländern aus, kam so nach Süddeutschland und später auch in den protestantischen Norden. Barock ist der Stil des Absolutismus. Kleine und große weltliche wie kirchliche Fürsten wollten durch die Prachtbauten ihre Macht demonstrieren. So entstanden prächtige Kirchenbauten und prunkvolle Schlösser. Und wem fallen nicht gleich die berühmten Bauten des Schlosses von Versailles bei Paris ein oder der Dresdener Zwinger, das Nymphenburger Schloss in München, der Fuldaer Dom und die Wieskirche, eine der bekanntesten Wallfahrtskirchen in Bayern, um nur einige zu nennen.
Typisch für den Baustil sind geschwungene konkave und konvexe Formen. Außen wie innen sind die Bauwerke reich mit ornamentalem Schmuck verziert. Zu den Schlössern gehören ausgedehnte Parks und Gartenanlagen, ausgestaltet mit Brunnen und Skulpturen. Die Kirchen weisen plastische Zierelemente auf wie Girlanden, vergoldete Putten und großflächige Deckengemälde.
Wie bereits erwähnt, findet man in den nördlicheren Regionen unseres Landes weniger typische Barockbauten. Dies gilt insbesondere auch für das Ruhrgebiet, zumindest was die Sakralbauten angeht. Dennoch gibt es, in der Regel allerdings weniger prunkvoll als die oben genannten Vorbilder, kleinere Schlossanlagen ehemaliger Adelsfamilien. So etwa in Gelsenkirchen das Schloss Berge. Um gleich Missverständnissen vorzubeugen: Die Bezeichnung ›Gelsenkirchener Barock‹ stammt nicht daher. Es ist eine ironische Bezeichnung für wuchtige, massive Schränke und Kommoden mit wellenförmigen Türen, verschnörkelten Leisten und geschwungenen Schubladengriffen (wir ersparen uns hier ein Foto). Ein Möbelstil, der in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts vor allem im Ruhrgebiet in den Wohnungen der Arbeiter verbreitet war und in den 50er-Jahren erneut populär wurde. Gelsenkirchen war nicht Vorreiter dieses Stils, sondern steht stellvertretend für das Arbeitermilieu im Ruhrgebiet. Schloss Berge hingegen entstand aus einer Wasserburg (13. Jahrhundert), das um 1700 zu einer dreiflügeligen repräsentativen Schlossanlage ausgebaut und auch mit einer barocken Gartenanlage im französischen Stil – wie es sich gehörte – versehen wurde (Abb.1). Diese wurde übrigens in den
20er-Jahren des letzten Jahrhunderts originalgetreu restauriert und ist als französischer Garten zu besichtigen (Abb.2). Das Schloss beherbergt heute ein namhaftes Hotel mit gehobener Küche.
Auch Schloss Beck in Bottrop war ursprünglich ein Wasserschloss und wurde von dem wohl bekanntesten westfälischen Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun zu einem spätbarocken Lustschloss umgebaut. Lustschlösser, auch ›Maison de Plaisance‹ genannt, dienten den fürstlichen Bauherren zum privaten Vergnügen ohne Hofzeremoniell und Staatspflichten (Abb.3). Der Baustil der späten Phase des Barocks zeichnet sich durch eine zarte Leichtigkeit und verspielte Eleganz aus und weist regional unterschiedliche Ausprägungen auf. Das Schloss und der Park wurden in den 1960er-Jahren in einen Freizeitpark umgewandelt, ein beliebtes Ziel für Familien mit Kleinkindern.
Ein kirchliches Kleinod ist die ›Alte Evangelische Kirche‹ in Bochum-Wattenscheid (Abb.4). Eine schlichte barocke Saalkirche, einer der Grundtypen des Kirchenbaus. Das Mauerwerk besteht aus Bruchstein. Den fünfseitigen Chor ziert ein sehenswerter Kanzelaltar aus Lindenholz – eine der barocken Kostbarkeiten Westfalens und ein einmaliges Werk rheinisch-westfälischer Holzschnitzkunst, geschmückt mit Voluten und gedrehten Säulen (Abb.5). Zwei Kuriositäten ranken sich um den Altar. Die Kirche wurde 1763 eingeweiht, der Altar aber bereits ca. 70 Jahre zuvor geliefert. Der Grund war Geldmangel beim Kirchenbau. Wo der Altar die Zeit verbrachte, ist bis heute ein Geheimnis. Und den Kanzel-Korpus, auch Kanzelkorb genannt, verzieren nur drei von vier Evangelisten. Der Vierte steht versteckt hinter dem Altar am Kanzelaufgang. Da es sich bei dem vierten Apostel um Matthäus handelt, spöttelt ein Autor in seiner Beschreibung zu diesem Altar in Anspielung auf die damalige Geldnot der Gemeinde: Da ist ›Mattäi am Letzten‹, eine Redensart aus dem Luther-Katechismus, die darauf hinweisen soll, dass jemand finanziell am Ende ist, und man deshalb den Matthäus hinter den Altar platziert habe. Dem Altar gegenüber auf der Empore befindet sich ein bewundernswerter Orgelprospekt im Rokoko-Stil, eine Entwicklung aus dem späten Barock (Abb.6).
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