Der letzte Köhler in Witten
Erinnerung an einen nahezu ausgestorbenen Beruf von Davide Bentivoglio
In den 1970er-Jahren entdeckte der damalige Förster Wittens, Günter Klar, dass der Waldboden neben der Straße zum Hohenstein (gleich links neben der ersten Kurve) durchsetzt war mit einer dicken Schicht schwarzgebrannter Erde und Holzkohlenstaub – deutliche Spuren eines früheren Holzkohlenmeilers. Er kam auf die Idee, einen Köhler nach Witten zu holen, der einen neuen Meiler aufbauen und die Herstellung von Holzkohle demonstrieren sollte. Die Suche gestaltete sich allerdings gar nicht so einfach, denn der Beruf war damals schon so gut wie ausgestorben. Schließlich fand man aber doch jemanden, der sich auskannte: Der Köhler Günter Birkelbach war einer der letzten seines Standes.
Nostalgie rief Heimatvereine und Stadtverwaltungen auf den Plan
1927 in Schmallenberg im Sauerland als Sohn einer alten Köhlerfamilie geboren, praktizierte Günter Birkelbach sein Handwerk in der mindestens fünften Generation. Ab den 1960er-Jahren nahm die Nachfrage nach Holzkohle in Deutschland jedoch drastisch ab. Der Erlös lohnte den Aufwand eines Holzkohlemeilers nicht mehr, sodass die meisten Köhler ihre Profession aufgaben. Da setzte ein neues Phänomen ein: Die Nostalgie zu Handwerkstechniken früherer Zeiten rief Heimatvereine und Stadtverwaltungen auf den Plan. Die wenigen noch verblieben Holzköhler waren plötzlich gefragte Leute. Günter Birkelbach gehörte dazu. Bald reiste er in Deutschland von Wald zu Wald und wies Interessierte in sein uraltes Wissen ein.
Der Herr des Feuers
Die Menschheit kennt und nutzt Holzkohle seit Jahrtausenden. Die Kunst des Köhlers besteht darin, einen riesigen Haufen Holz fachgerecht aufzustapeln und es durch Verschwelen in Holzkohle zu verwandeln. Einmal angezündet, darf er den Meiler nicht mehr aus den Augen lassen, jedenfalls nicht länger als für zwei Stunden. Im Inneren des Haufens brennt es zwar, aber es dürfen keine offene Flammen entstehen. Die Hitze breitet sich – je nach Größe der Konstruktion – im Laufe von zwei bis vier Wochen von oben nach unten aus. Nun ist es die Aufgabe des Köhlers, die Hitze durch Anbringen und Schließen von Löchern an der Außenhaut rings um den Meiler genau zu steuern. Die Farbe des austretenden Rauchs sagt dem ›Herrn des Feuers‹ ganz genau, was im Inneren gerade vor sich geht und was er tun muss.
Sohn führt Handwerkstradition fort
Günter Birkelbach übte seinen Beruf bis ins hohe Alter aus. Er starb 81-jährig am 16. Mai 2008. Die alte Handwerkstradition lebt aber in seiner Familie weiter: Sein Sohn Hubertus Birkelbach ist Forstwirtmeister und leidenschaftlicher Köhler. Jedes Jahr stapelt er in der Haard bei Haltern einen Holzkohlenmeiler auf, der dann traditionsgemäß am Mittag des 1. Mai bei einer Veranstaltung vom Regionalverband Ruhr mit dem Trinkspruch ›Gut Brand‹ angezündet wird.
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