Mit einem Gruß fängt alles an
Beim Wittener Verein ›HILFE DIREKT e. V.‹ ist der Name seit über zwanzig Jahren Programm. Derzeit wird an einer größeren Herausforderung gearbeitet.
Von Witten-Heven aus ist ein kleiner Verein aktiv, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen unbürokratisch zu helfen, wenn sie den Boden unter den Füßen verloren haben. Wir waren zu Besuch bei Ute Kiczka und ihrem Ehemann Harald, die ihren Verein bereits vor längerer Zeit gegründet haben und seither in vielfältiger Weise aktiv sind.
»Als ich noch in der Schule war, in der Oberstufe«, berichtet Ute Kiczka, »da haben wir ein Projekt gemacht, bei dem wir in Familien gingen, die anders lebten als wir. Wir wollten kennenlernen, wie andere leben.« Dies sieht die ehemalige Lehrerin als den Startpunkt für ihr Interesse an anderen Menschen und deren Lebensweisen an.
Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte ihres Vereins begann mit und durch einen Menschen, dem Ute Kiczka immer wieder auf der Straße begegnet war, schon zu Schulzeiten. »Da war ein Junge, lustig und laut, auf der anderen Straßenseite«, erinnert sich die mit sanfter Stimme erzählende Gastgeberin. Sie verlor ihn nach der Schulzeit aus den Augen, traf ihn dann aber irgendwann an unterschiedlichen Orten im Wittener Stadtgebiet zufällig wieder. Stets grüßten sie sich. »Man sah ihm an, dass ihn das Schicksal gebeutelt hatte. Alkohol war ein Thema.« Das Ehepaar sprach ihn an, kam mit ihm ins Gespräch und baute einen losen, aber wiederkehrenden Kontakt auf. »Er bat uns, ihm Rückmeldung zu Texten zu geben, die er schrieb, ›Geschreibsel‹ nannte er das«, wirft Harald Kiczka ein. »Irgendwann sprach er bei der Stadt Witten vor und bat um die Erlaubnis, dass das Ehepaar Kiczka, also wir, dort, in der Unterkunft, in der er zeitweise lebte, ›Kultur‹ machen durfte.« Was darauf folgte, waren Mal- und Origamikurse, später auch Eurythmie und sogar ein ›Japanisch-Kurs gegen Langeweile‹, den die damalige Kunst- und Englischlehrerin zusammen mit einer Freundin organisierte. Um für die Aktionen auch Spenden sammeln zu können, trommelten Kiczkas kurzerhand einige Freunde, Verwandte und Nachbarn zusammen und riefen einen Verein ins Leben. Die Gründung von ›HILFE DIREKT‹ liegt bereits zweiundzwanzig Jahre zurück.
In der Zwischenzeit gab es aber viele weitere, kleine und große Gelegenheiten, Mitmenschen zu helfen. Einen Obdachlosen, der zwölf Jahre lang wohnungslos war, hätten sie einmal von der Straße geholt, in einer gemeinsamen Anstrengung mit der Polizei, einem Mitarbeiter der Stadt Witten und einem Richter. Ute Kiczka sei kurzerhand von dem herbeigerufenen Richter noch auf dem Bürgersteig zur Betreuerin des Mannes gemacht geworden und konnte seinen weiteren Lebensweg begleiten. Die beiden ehrenamtlich Helfenden sehen es ganz realistisch. »Alleine holt man solche Menschen nicht von der Straße«, resümieren sie.
Alleine, das machen sie deutlich, werden sie auch in ihrem aktuellen Projekt nur langsam weiterkommen. Ausgangspunkt dafür waren erneut zufälliges Aufeinandertreffen und ein Gruß. »Vor fast zwanzig Jahren traf ich in der Nähe der Tafel immer wieder auf eine freundlich lächelnde Frau. Auf dem Weg in die Innenstadt komme ich dort regelmäßig vorbei. Irgendwann haben wir angefangen, uns zu unterhalten, haben uns schließlich zum Kaffeetrinken verabredet. Es entstand zunächst eine Bekanntschaft. Sie stammt aus dem Kongo. Und es dauerte, bis sie uns irgendwann, nach und nach, ihre Geschichte erzählte.« ›Claire‹, wie Ute und Harald Kiczka sie nennen, floh vor politischer Verfolgung aus ihrem Heimatland, nachdem ihr Ehemann bereits getötet worden war. Direkt nach einer Konferenz musste die damalige Sekretärin einer politischen Partei das Land verlassen. Dabei ließ sie ihre beiden jugendlichen Kinder, einen Sohn und eine Tochter, notgedrungen zurück. In Witten angekommen konzentrierte sich die »hoch gebildete Frau« darauf, Deutsch zu lernen und eine Arbeit zu finden. Dass es möglich gewesen wäre, die beiden Kinder im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland zu holen, erfuhr sie zu spät – Ablehnung wegen Fristversäumnis. Auch ein mit Unterstützung von ›HILFE DIREKT‹ engagierter Anwalt konnte nicht helfen; die Angelegenheit wurde nicht als Härtefall anerkannt. Nicht einmal der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ermöglichte Claire, einen Familiennachzug zu organisieren. Ute Kiczka legt ein Foto des Sohns der Kongolesin auf den Tisch. Augenscheinlich wirkt dieser schwer traumatisiert. Sein größter Wunsch sei es, seine Mutter in Deutschland zumindest einmal zu besuchen. »Prinzipiell ist es möglich, dies auf die Beine zu stellen. Aber es ist eine Bürgschaft von 5.000 Euro nötig, die von den Einladenden in Deutschland gestellt werden muss. Außerdem müssen die Reisekosten und der Unterhalt hier vor Ort gedeckt sein. Dafür suchen wir Unterstützer«, erklärt Harald Kiczka. Er ist im Verein für Spendenaufrufe zuständig. »Und für das Emotionale«, wie seine Ehefrau noch anmerkt. Sie selbst beschreibt ihre Sichtweise eher als nüchtern: »Ich sehe mir immer an, was machbar ist ...«
Weitere Fotos unterschiedlicher Menschen, denen der Verein bereits helfen konnte, und von Festen füllen langsam den Tisch, an dem das Gespräch stattfindet. Zu jedem Bild wird eine Geschichte erzählt. Kiczkas und ihre Mitstreitenden haben viel gesehen, viel erlebt und vieles auf die Beine gestellt in ihrer langjährigen Vereinsarbeit. Und es begegnen dem Ehepaar immer wieder neue Menschen, die ihnen interessant erscheinen, Neugierde wecken. »Mit einem Gruß fängt alles an«, sinniert Ute Kiczka am Ende des Gespräches.
Spendenkonto:
HILFE DIREKT e. V. Ute Kiczka
Volksbank Bochum Witten eG
IBAN: DE 15 4306 0129 0682 2785 00
Kontaktinformation:
HILFE DIREKT e. V. in Witten
E-Mail: kiczka [at] freenet.de