»Seid bunt und habt euch lieb«
Die Wittener Band Krafetzka spielt schrecklich schön, bis die Bretter krachen
Wenn das mal keine Vision ist, die am Anfang der Bandgründung stand: »Ich wollte eine Akustikband gründen. Dann spart man sich das ganze Geschleppe mit den Verstärkern, und die ganze Band passt mitsamt Ausrüstung komplett in einen Bulli.« Das erzählt Timo, Gitarrist und Trompeter der Wittener Band Krafetzka. Wer aber keinem bestimmten Kurs folgt, der ist offen für jede Richtung. Und so spielen sie Folk-Punk-Ska, Akustik-Punk Balkan-Style oder Offbeat-Folk-Punk, je nachdem, welches Bandmitglied man fragt. Vielfalt aus Offenheit. Schlagzeuger Moritz etwa spielt nebenher in zwei Bands viel härterer Gangart und bringt damit Heavy-Metal-Einflüsse mit, auch wenn er für Krafetzka auf ein etwas kleineres Drumkit umsteigt (vielleicht wegen der Alles-in-einem-Bulli-Doktrin?). »Unser Stil ist einfach Krafetzka«, sagt Timo.
Aber recht haben sie irgendwie alle. Das Lied ›Zombies‹ pendelt zwischen britischem Trinklied (dank des starken Spiels von Violinistin Anni) und Punkrock hin und her. In ›No Planet B‹ übernimmt die Geige eher den punkigen Refrain, wie üblicherweise es eine E-Gitarre machen würde. ›Lottaleben‹ geht dann wieder in eine Ska-Richtung, dafür sorgt der prominente gezupfte Kontrabass von Tobi und die Trompete. Akustisch ist jedenfalls alles davon – ohne dass die Band Einbußen auf der Rock-Skala hinnehmen müsste.
Denn am ehesten ist Krafetzka eine Band, die man live erleben sollte und die auch am liebsten live spielt. Dabei ist es den leidenschaftlichen Musikern egal, ob sie vor 10.000 Leuten spielen, so wie 2019 auf einer ›Fridays for Future‹-Demo in Dortmund, oder vor zehn Nasen in einem Wohnzimmer. »Ja, man kann uns für Wohnzimmerkonzerte buchen«, sagt Kontrabassist Tobi mit Begeisterung. »Aber nur, wenn wir mit Schlagzeug spielen können«, ergänzt – natürlich – der Schlagzeuger. Denn egal, wie groß die Bühne ist, auf Krafetzka-Konzerten geht es ab! »Wir fetzen, wortwörtlich bis die Bretter krachen«, sagt der Mann für die tiefen Töne, und die Band erinnert sich gemeinsam an ein Wohnzimmerkonzert, bei dem anscheinend der Parkettboden der Energie von Band und Publikum nicht gewachsen war.
Ihre Spiellaune konnte das Quintett vor der Pandemie mit rund 50 Konzerten im Jahr (damals noch unter dem Namen Waveland Gang) ausleben. Immerhin besteht die Formation schon seit 2015. Die kulturarmen beiden letzten Jahre haben die Band auftrittstechnisch allerdings etwas zurückgeworfen; dieses Jahr stehen noch etwa fünf Konzerte an. Doch untätig war die Gruppe nicht. Im Mai dieses Jahres erschien das in Eigenregie aufgenommene Album ›Schrecklich schön‹, das auf Spotify zu hören und in einer aufwendigen, fünfeckigen Hülle bei der Band käuflich zu erwerben ist. Benannt ist es nach dem letzten Lied auf dem Tonträger, einem melancholisch-fröhlichen Post-Corona-Song, auf dem Gitarrist und Sänger Sascha gerade im Refrain Erleichterung, Hoffnung und Zweifel in seiner Stimme zu vereinen vermag.
Textlich geht es bei der Band ebenfalls in keine bestimmte Richtung. Aber es ist klar, dass die Fünf starke Meinungen zu bestimmten wichtigen Themen der Zeit haben. Der bereits erwähnte Titel ›No Planet B‹ – ›es gibt keine Reserve-Erde‹ – ist auch ein beliebter Slogan auf Klima-Demos, der dazu mahnt, dass wir mit unseren Ressourcen und Lebensräumen vorsichtiger umgehen sollten. Das rhythmusgetriebene ›The Kids‹ behandelt im Text die Folgen des Krieges für diejenigen, die am wenigsten dafürkönnen: die Kinder! ›Balkanisierung‹, bei dem Anni und Tobi auch mal mittendrin ihre Instrumente tauschen, hingegen ist ein Gute-Laune-Song über wilden Tanz und eskalierende Ausgelassenheit. Seine Musik lädt im Übrigen genau dazu ein. »Unsere Musik ist zu unterschiedlich, als dass wir unsere Botschaft in einem Satz zusammenfassen könnten«, sagt Geigerin Anni. Aber wenn es ein Motto gebe, das die Band transportiert, so Tobi, dann ist es »Seid bunt und habt euch lieb«.
Der Herbst birgt für Krafetzka wie für jede Band und alle Beteiligten im Kulturbetrieb viele Unsicherheiten. Aber für nächstes Jahr plant der Fünfling eine außergewöhnliche Tournee: Bespielt werden sollen alternative Wohnprojekte in ganz Deutschland, also Tiny-House-Siedlungen, autarke Gemeinschaften, Gemeinschaftsbauernhöfe und dergleichen mehr. Dank engen Kontaktes mit der WERK°STADT kommt es aber immer wieder auch zu Auftritten in Witten, bei denen man sich vom Rhythmus der Musik und der guten Laune der Band anstecken lassen kann. Denn es fetzt und kracht. Das nächste Mal am 27. August übrigens auf dem Street Live Festival im münsterländischen Senden.
Die Band ist auf Facebook und Instagram vertreten. Reinhören in die Musik kann man auf YouTube und Spotify, wo man auch einfach nach dem Bandnamen ›Krafetzka‹ sucht und direkt fündig wird.
www.krafetzka.de