Stadtmagazin Witten: Junges Witten

Traurig, mutig, stark!

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Der Verein Trauerarbeit Hattingen e. V. ist auch in Witten eine wichtige Stütze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Plötzlich ist alles anders, die Welt steht still, der Schmerz und die Trauer sind unendlich groß. Wenn Kinder einen geliebten Menschen verloren haben, wissen sie oft nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Bei ›traurig-mutig-stark‹ werden sie in kleinen Gruppen von einem Team mit großem Herz und viel Verständnis aufgefangen und begleitet. Auch für Erwachsene gibt es verschiedene Angebote.

Erinnerungen schätzen

Als Paul acht Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Vivien hat mit 13 Jahren ihre geliebte Oma verloren. Emils Vater zieht ins Ausland, nachdem sich die Eltern getrennt haben. Malia ist mit ihrer Mutter vor dem Krieg in Syrien nach Witten geflüchtet, den Vater, Verwandte und Freunde musste sie zurücklassen. Vier Kinder – vier Verlusterfahrungen. So unterschiedlich diese auch sind, die Trauer ist bei allen ähnlich. Ebenso wie die Tatsache, dass sie bei ›traurig-mutig-stark‹ einen Ort haben, bei dem sie nicht nur Gleichgesinnte treffen, sondern auch ein erfahrenes, einfühlsames Team von Trauerbegleitenden und Seelsorgenden. Hier gehen sie den Weg der Trauer gemeinsam, so dass die Erinnerung an den Verlust nicht mehr so wehtut, sondern Teil des Lebensschatzes wird. »In unseren Gruppen finden die Kinder Verständnis für ihre Trauer und lernen, mutig mit ihr zu leben«, sagt Annedore Methfessel. Die ehemalige Pfarrerin für Seelsorge, Beratung und Supervision im Evangelischen Kirchenkreis Hattingen-Witten hat 1999 gemeinsam mit den Pfarrern Johannes Waschk aus Welper und Christian Siebold aus Blankenstein den Grundstein für ›traurig-mutig-stark‹ gelegt. Anfangs zunächst in Hattingen und Wuppertal aktiv, wurde dann 2012 das Zentrum für Kinder- und Jugendtrauerbegleitung in der Lutherstraße 6 in Witten eröffnet und 2019 noch einmal erweitert. Hier finden neben den festen Kinder- und Jugendtrauergruppen mit maximal zehn Kindern und Jugendlichen auch Einzelgespräche statt. Neu hinzu kamen in diesem Jahr Workshops für trauernde Kinder.

Das Leid lindern

Trauer ist mitunter ein langer Prozess. Und sie ist auch Arbeit. »Unsere Erfahrung ist, dass es guttut, den Schmerz zuzulassen, sich der Trauer zu stellen und sie zu überwinden. Denn erst dann kann etwas Neues beginnen und man zu neuer Kraft finden, egal in welchem Alter«, berichtet Sabine Waschik. Die qualifizierte Trauerbegleiterin (BVT) und Seelsorgerin (DGfP/KSA) weiß das aus eigener Erfahrung, denn ihre Tochter starb 2008 im Alter von nur 18 Jahren. Seit vielen Jahren hilft sie nun, bei anderen Leid zu lindern, das sie auch selbst erfahren hat – das Leid des persönlichen Verlusts eines geliebten, nahestehenden Menschen. Und sie ist bei ›traurig-mutig-stark‹ stets die erste Anlaufstelle für Menschen, die auf die wertvolle Unterstützung des Vereins zurückgreifen wollen – ob für sich selbst oder ihr Kind (siehe Kasten). »Im Erstgespräch klären wir dann, welche Gruppe oder welches Angebot am besten passen würde«, erläutert Sabine Waschik. In den Gruppen können die Kinder und Jugendlichen die verschiedenen Gefühle ihrer Trauer – von Ärger und Angst über Wut und Einsamkeit bis hin zu Leere und Enttäuschung – zulassen und zeigen. Das ist in der Familie oft nur bedingt möglich. Zudem erfahren sie bei ›traurig-mutig-stark‹: »Auch wenn schon viel passiert ist, das ich nicht verstehe, ich kann wieder lachen, weil ich nicht allein bin. Denn in der Gruppe haben alle einen geliebten Menschen verloren«, sagt Maik Voswinkel. Der Sozialpädagoge ist einer von insgesamt 12 ehrenamtlichen Mitarbeitenden von ›traurig-mutig-stark‹ in Witten und Hattingen. Sie alle haben völlig unterschiedliche Berufe – aber alle eine qualifizierte Ausbildung als Seelsorgende und/oder Trauerbegleitende.

Workshops für Kinder

Maik Voswinkel leitet seit diesem Jahr Workshops für trauernde Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Sein neues Angebot hebt sich gezielt von den bestehenden Trauergruppen ab, bei denen Trauererfahrungen in einem angeleiteten Rahmen thematisiert und reflektiert werden. Er hat mit den Kindern schon Fledermaus-Nistkästen gebaut, eine Kanutour auf der Ruhr unternommen oder einen kleinen Film mit Lego produziert. »Ziel der Workshops ist es, den Kindern kreative, sportliche, naturwissenschaftliche und verschiedene andere motivierende Erlebnisse anzubieten«, erläutert er. Diese sollen die Kinder dazu anregen, sich aus ihrer Situation heraus auf etwas Neues einzulassen. Im Fokus steht die Aktivität, die dabei erlebte Freude, das Erkunden und Ausleben eigener Vorlieben und Talente sowie das Zusammensein mit ähnlich betroffenen Kindern. »Wir sind wie ein Pflaster: Wir können die Wunde zwar nicht beseitigen, aber sie schützen und dazu beitragen, dass sie verschwindet. Alles andere macht die Zeit – und die Person selbst«, sagt Maik Voswinkel.

Spenden willkommen

Die offenen Trauertreffen für Kinder sowie der Besuch der beiden Trauercafés in Witten und Hattingen sind entgeltfrei, bei den Workshops gibt es einen Unkostenbeitrag von je 10 Euro, die Kosten für die anderen Angebote sind unterschiedlich. Die gesamte Arbeit von ›traurig-mutig-stark‹ – darunter die Mietkosten der beiden Zentren für Trauerarbeit in Witten und Hattingen, die Fortbildungen oder die Übungsleitungspauschalen – wird über Spenden finanziert. Die langfristige Unterstützung durch einige Förderkreismitglieder und vor allem durch eine Stiftung sichert bisher die Zahlung der Betriebskosten. »Daher freuen wir uns über jede Spende«, so Annedore Methfessel.
Der schönste Lohn für alle Teammitglieder ist es zu sehen, wenn es den trauernden Kindern und Erwachsenen wieder besser geht. Und wenn sie Geschichten hören wie jene von zwei jungen Verwitweten, die sich in einer der Trauergruppen kennengelernt und das Team dann Jahre später zu ihrer Hochzeit eingeladen haben.

Umfangreiche Trauerangebote

Die Trauerberatung in Witten ist eine erste Anlaufstelle für Menschen, die einen Verlust erlitten haben. Ansprechpartnerin ist die Trauerbegleiterin und Seelsorgerin Sabine Waschik, die neben der Trauerberatung im Zentrum für Kinder- und Jugendarbeit in Witten auch Gruppen für verwaiste Eltern sowie das Trauercafé in Hattingen-Blankenstein leitet. In einem kostenfreien Erstgespräch stellt sie die verschiedenen Angebote vor und sucht dann das jeweils passende aus. Neben dem Trauercafé in Hattingen bietet der Verein gemeinsam mit dem Ambulanten Hospizdienst Witten-Hattingen e. V. alle zwei Wochen ein Trauercafé in Witten an. Zudem gibt es Gruppen für verwaiste Eltern und jüngere Verwitwete sowie Trauerwanderungen und Einzelgespräche. Das Angebot ist überkonfessionell und überregional.
Sabine Waschik ist zu erreichen unter Tel. 01 51 / 25240212 sowie unter sabine.waschik [at] freenet.de

Weitere Informationen zu dem wertvollen Projekt gibt es unter www.traurig-mutig-stark.de

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