Mit Herz, Humor und Heavy Metal
›Transmission‹ schickt ein ungleiches Paar auf einen temporeichen Trip durch das Ruhrgebiet
Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass unsere Kollegin Pia Lüddecke manchmal etwas verhuscht wirkt. Das liegt an den vielen kreativen Ideen in ihrem Kopf. Ja, Pia schreibt nicht nur mit flinker Feder für das Stadtmagazin, sie bringt auch immer wieder abenteuerliche Geschichten zu Papier. Letzteres laut eigenen Angaben am liebsten nach Sonnenuntergang, bei flackerndem Kerzenschein. Im September erschien ihr vierter Roman ›Transmission‹ bei Edition Outbird: eine queere Lovestory mit Herz, Humor und Heavy Metal. Wir haben Fragen!
Hallo Pia, nach drei Fantasy-Romanen jetzt plötzlich eine Liebesgeschichte – wie kam es denn dazu?
So plötzlich war das gar nicht. ›Transmission‹ ist über einen längeren Zeitraum entstanden, als Parallelprojekt zu meinem Schaffen als Fantastikautorin. Ich habe in meinem Freundeskreis viele queere Menschen, und es überrascht mich immer wieder, mit welchen Vorurteilen sie heute noch zu kämpfen haben, insbesondere Transmenschen. Daher war es mir ein Anliegen, mich dem Thema zu widmen – aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern in einer Form, die das Publikum emotional erreicht. Was wäre da besser geeignet als eine romantische Geschichte?
Wir sind neugierig: Worum geht es genau?
Im Mittelpunkt steht ein junger Mann, Roman, der im Sommer 2010 mit sich und der Welt hadert, bis er bei einem Fechtkurs an der Uni ein Mädchen trifft. Julia, genannt Jo, begeistert sich sogar für schwedischen Prog Metal – wer wäre da nicht hin und weg? Doch wie es das Schicksal so will, hat die Sache einen Haken: Julia hieß ursprünglich Julian, sie wurde als biologischer Junge geboren und wünscht sich eine geschlechtsangleichende Behandlung. Roman ist erst mal geschockt, er kann damit nichts anfangen. Aber die beiden müssen sich notgedrungen zusammenraufen und folgen einem rätselhaften therapeutischen Ratschlag quer durch das nächtliche Ruhrgebiet.
Bei jedem ihrer Treffer ballte sie die hintere freie Hand zur Faust, als wäre das hier ein Scheiß-Punkteturnier. Es machte mich wahnsinnig. Ich wusste plötzlich wieder, warum ich diesen Sport aufgegeben hatte. Er weckte in mir einen Killerinstinkt, den kein Mann real ausleben sollte.
(Ausschnitt aus ›Transmission‹)
Der Stoff ist nicht ohne. In den sozialen Medien kochen beim Stichwort ›trans‹ die Gemüter hoch. Hast du keine Angst, anzuecken?
Nö. Ein bisschen aufgeregt bin ich natürlich schon. Als ich vor Jahren anfing, das Buch zu schreiben, war das Thema noch nicht so präsent. Dass nun öffentlich über Transpersonen im Profisport diskutiert wird und viele Nichtbetroffene dazu eine starke Meinung haben, ist schon etwas merkwürdig. Die Schreihälse aus dem Internet stehen aber ja zum Glück nicht stellvertretend für die Gesellschaft. Wichtiger ist mir, dass ›Transmission‹ meinen Leserinnen und Lesern gefällt, einfach weil es eine gute Geschichte ist. Wenn ich dann noch den einen oder anderen zum Nachdenken bewegen kann, der wie mein Ich-Erzähler Roman Vorbehalte aus Unwissenheit hat, umso besser.
Wo wir gerade beim Ich-Erzähler sind: Ist es dir schwergefallen, aus Sicht eines 20-jährigen Mannes zu schreiben?
Überhaupt nicht. Ich könnte, wenn es sein müsste, aus Sicht eines Eichhörnchens schreiben. Nein, ernsthaft: Genau das ist ja meine Aufgabe als Autorin, mich in unterschiedliche Charaktere hineinzuversetzen, die Perspektive zu wechseln – selbst wenn man die Figuren für ihr Verhalten manchmal schütteln möchte. Bei Roman ging das eigentlich ganz gut. Julia als Figur authentisch anzulegen, war für mich die größere Herausforderung, eben weil es so ein sensibles Thema ist und ich niemanden vor den Kopf stoßen wollte, der selbst trans ist und eventuell empfindlich auf meine Darstellung reagiert.
Wie hast du die Herausforderung gelöst?
Ganz klassisch: Ich habe mich informiert, Fachbücher gelesen und persönliche Interviews mit zwei Menschen in meinem Freundeskreis geführt, den realen Vorbildern von Roman und Julia. Ihre subjektiven Erfahrungen sind in die Geschichte eingeflossen.
Jo musterte mich mit einem Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Für einen Moment verlor ich mich in den dunklen Haselnussaugen, und mein Herz machte einen Sprung. Ich zwang das Gefühl zurück in die Höhle, der es entkrochen war. Das Mädchen mit den schönen Augen existierte nicht. Sie war eine Lüge. Einbildung. Illusion. Ich durfte mir nichts mehr vormachen lassen. Sonst würde alles nur noch komplizierter werden.
(Ausschnitt aus ›Transmission‹)
Hast du in dem Buch auch eigene Erfahrungen verarbeitet?
Nun ja, ich habe in meiner Jugend leistungsmäßig gefochten und liebe diesen Sport bis heute. Außerdem bin ich mit einem Metal-Nerd verheiratet. Von daher macht Leugnen wohl keinen Sinn.
Laut Klappentext gipfelt der Roadtrip von Roman und Julia in einem Fechtturnier auf der Autobahn. Was hat es damit auf sich? Ist das wirklich passiert?
Ich habe tatsächlich mal auf der Autobahn gefochten. Die Szene ist aber nur lose daran angelehnt, und ich möchte sie an dieser Stelle auch nicht spoilern. Wer mehr wissen will, muss das Buch lesen ☺
Du hast eben deinen Mann Ernest erwähnt, der oft mit dir auf der Bühne steht. Wer euch schon einmal live gesehen hat, weiß, dass eure Buchpräsentationen etwas ganz Besonderes sind: Ihr lest mit verteilten Rollen, inklusive lustiger Dialekte, Ernest sorgt für den passenden Soundtrack. Gibt es solche Veranstaltungen auch zu ›Transmission‹?
Aber ja! Als nächstes treten wir am 21. November in der Stadtbibliothek Hattingen auf. Selbstverständlich hat Ernest dann auch wieder seine E-Gitarre dabei.
BUCHtipp
Pia Lüddecke: ›Transmission‹
Edition Outbird
Taschenbuch: 17 Euro
ISBN 978-3-948887-73-5
erhältlich überall im Buchhandel,
z. B. in der Buchhandlung Lehmkul
eBook: 7,49 Euro
ISBN 978-3-948887-75-9
Weitere Infos:
www.pialueddecke.de
www.edition-outbird.de