Stadtmagazin Witten: Nachhaltigkeit

Wittener Tausch- & Aktivitäten-Börse

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»Wir waren schon nachhaltig, da gab es den Begriff noch gar nicht«

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihren Handwerker mit selbst gebackenem Kuchen entlohnen oder das Taxi zum Arzt mit einem Blumenstrauß aus dem eigenen Garten vergüten … Was nach einer utopischen Idee klingt, ist Alltag in der Wittener Tausch- und Aktivitäten-Börse. »Wir waren schon nachhaltig, da gab es den Begriff noch gar nicht«, so Teamleiterin Monika Ruthe.

Bezahlt wird mit Arbeitszeit

In diesem Jahr wurde die Initiative beim Nachhaltigkeitspreis der Stadtwerke Witten mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. Getauscht wird in Witten aber schon seit 1996. Damals wurde die Gruppe nach dem Vorbild der bundesweit verbreiteten Tauschringe ins Leben gerufen. Viele der einstigen Gründungsmitglieder sind heute noch aktiv dabei. Das System ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Die Tauschfreudigen bezahlen nicht mit Geld, sondern mit einer ganz eigenen Währung, den sogenannten Talenten. 20 Talente entsprechen einer Stunde Arbeitszeit. »Wenn ich einen Kuchen backe und dafür anderthalb Stunden brauche, kann ich dafür entweder eine andere Leistung in Anspruch nehmen oder mir die 30 Talente auf meinem Zeitkonto gutschreiben lassen«, erklärt Monika Ruthe. »Der Vorteil ist, dass nicht zwangsläufig mit der gleichen Person getauscht werden muss. Stattdessen kann ein passendes Tauschgeschäft mit einem anderen Tauschpartner zu einer anderen Zeit getätigt werden.«

Von Putzpartys und Hochzeiten

Egal ob es um Lebensmittel, Reparaturen, Unterstützung im Haushalt oder Fahrdienste geht: Wer sucht, der findet! Monika Ruthe beispielsweise backt leidenschaftlich gern. Die so gesammelten Talente gibt sie meist für Handwerksleistungen aus. »Bei uns in der Tauschbörse engagieren sich einige altgediente Handwerker, die gerne vorbeikommen, wenn die Spülmaschine repariert oder eine Gardine aufgehängt werden muss. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie machen sollte.« Auch Putzpartys habe es schon gegeben, sagt die Wittenerin. »Da haben Hausfrauen ein ganzes Haus komplett geputzt.« Eine Tauschpartnerin sei nach ihrem Skiunfall von mehreren Leuten parallel versorgt worden: »Einkaufen, waschen, Arztfahrten. Es hat gut funktioniert.« Selbst Hochzeiten und runde Geburtstage wurden mit gegenseitiger Unterstützung schon ausgerichtet. »Von der Tischdeko über das Büffet, die Hochzeitstorte und den Fotografen bis hin zum Aufräumdienst.« Kooperationen mit Tauschringen anderer Städte werden ebenso gern genutzt. »Bei einem Trip nach Hamburg habe ich Balkonkästen bepflanzt und erhielt dafür eine Übernachtungsmöglichkeit«, berichtet Monika Ruthe.

»Wie auf einem Wochenmarkt«

Was muss ich tun, wenn ich mittauschen möchte? Hier bietet sich der monatliche ›Tauschrausch‹ an. Das offene Treffen findet normalerweise an jedem letzten Sonntag im Monat im Haus der Jugend statt. Gäste können das bunte Treiben live miterleben und sich im Rahmen einer Infostunde schlau machen. Viele ergreifen die Gelegenheit, sich direkt anzumelden. Denn ein eigenes Zeitkonto ist Voraussetzung, um am Flohmarkt auf Talentebasis teilzunehmen. »Im Frühjahr werden viele Gemüsepflänzchen angeboten, im Herbst Obst, Gemüse oder selbst gemachte Marmelade«, erzählt Monika Ruthe. »Da schaut es im Haus der Jugend aus wie auf einem Wochenmarkt.« Neumitglieder zahlen bei der Anmeldung einmalig 10 Euro, um unvermeidbare Verwaltungskosten zu decken. Der Monatsbeitrag beträgt dann fünf Talente. »Man verpflichtet sich zu nichts außer dazu, aktiv zu sein«, so die Leiterin.

Einzige Voraussetzung: Hilfsbereitschaft

Interessant ist das Konzept ihrer Erfahrung nach vor allem für Menschen mit kleinem Einkommen: »Sie können sich etwas leisten, das sonst nicht möglich wäre.« Faktoren wie Alter oder Ausbildung sind dabei vollkommen unerheblich. »Vom Studenten über arbeitssuchende Menschen bis zum Rentner kann jeder etwas beisteuern. Die einzige Voraussetzung ist Hilfsbereitschaft.« Dass die Initiative nun nach so vielen Jahren mit dem Nachhaltigkeitspreis der Stadtwerke honoriert wurde, hat alle Mitglieder der Gruppe freudig überrascht. »Jetzt stellt sich nur die Frage: Was machen wir mit dem Preisgeld?«, verrät Monika Ruthe. Sie schmunzelt: »Eigentlich benutzen wir diese Währung ja nicht.« Ein Vorschlag steht aber schon im Raum und soll bei der nächsten Versammlung diskutiert werden: »Vielleicht stecken wir den Betrag in die Werbung, um neue tauschfreudige Mitglieder zu gewinnen.«

Tauschrausch-Termine 2024*

27.10., 24.11., 15.12. · je 11–13 Uhr
Haus der Jugend
Nordstraße 16 · 58452 Witten
*Abweichungen vorbehalten
www.tauschring-witten.de

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